Die deutschen Kurorte und ihre natürlichen Heilmittel

Wellness im Kurort

Professor Dr. med. Karl-Ludwig Resch

„Gesucht Wellness“, so lautet der Titel einer im Jahr 2001 erschienenen Broschüre der Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen. In der Tat scheinen immer mehr Menschen auf der Suche nach mehr Wellness. Im Folgenden wird dargestellt, dass das, was die meisten Menschen in Deutschland zur Zeit mit Wellness assoziieren, bestenfalls ein marginaler Randaspekt von Wellness ist. Und dass in Zukunft zumindest parallel dazu ein Markt mit erheblichen Dimensionen entstehen wird, der die steigende Nachfrage nach Wellness als ganzheitliches, aktives Streben nach einem erfüllteren Leben und mehr Lebensqualität bedienen wird. Heilbäder und Kurorte sind als traditionelle Kompetenzzentren ganzheitlicher gesundheitsfördernder Angebote geradezu prädestiniert, sich diesem Markt in besonderer Weise zu öffnen.

Das Konzept Wellness

Die WHO hat kurz nach dem 2. Weltkrieg eine sehr ambitionierte Definition von Gesundheit erarbeitet: Health is a state of complete physical, mental, and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity – also: Gesundheit ist der Zustand des vollständigen physischen, mentalen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit.

Einer der Väter moderner Wellness-Konzepte ist der amerikanische Arzt Halbert L. Dunn, der eine Serie von Vorträgen im Jahre 1961 unter dem Titel „High Level Wellness“ in einem Buch veröffentlichte. Kernaussage ist, dass sich durch einen entsprechenden Lebensstil ein höheres Niveau an physischem und psychischem Wohlbefinden lässt. In den 70er Jahren entwickelten Protagonisten wie Travis und Ardell, Hettler oder Allen Dunns Ideen weiter und warben mit dem Begriff Wellness für präventive Alternativen und einen gesunden Lebensstil.

Ganzheitliches Modell

Das „klassische“ Krankheitsmodell der akademischen Medizin versucht möglichst allgemeingültige Schwellenwerte für „krankhafte“ („pathologische“) Veränderungen eines als „gesund“ („normal“) bezeichneten physischen und/oder psychischen Zustandes zu definieren. Demgegenüber gehen seriöse Wellnesskonzepte typischerweise vom jeweils aktuellen Gesundheitszustand als momentane Position in einem Kontinuum zwischen den möglichen Extremen aus (etwa Wellness – Illness/Worseness, Good health – ill health). Eine weitere Differenzierung des Wellnessmodells gegenüber dem Krankheitsmodell der akademischen Medizin besteht in der gleichzeitigen Einbeziehung verschiedener Ebenen oder Komponenten, die erst gemeinsam den Grad des Wohlbefindens determinieren. Dabei wird je nach Quelle die klassische Trias Körper, Geist und Seele um weitere Komponenten oder Ebenen erweitert bzw. ergänzt. Ein typisches, oft zitiertes Konzept beruht auf den 6 Dimensionen, wie sie das amerikanische National Wellness Institute vorschlägt:

  • körperliche Wellness (Fitness, Ernährung, Sicherheit),
  • emotionale Wellness (Sexualität, Beziehungen),
  • geistige/intellektuelle Wellness (Kreativität, Informationszugang),
  • soziale Wellness (Familie, Gemeinschaft, Umwelt),
  • berufliche Wellness (Karriere, „Berufung“) und
  • spirituelle Wellness (Werte, Ethik).

Auch „Zeit“ oder „multikulturelle Wellness“ werden z. B. als eigenständige, essenzielle Komponenten für Wellness angeführt. Allen Konzepten gemeinsam ist der zentrale Gedanke, dass Wellness ein Ausdruck ganzheitlichen Lebensempfindens ist („life balance“), eine Initiative in Richtung höherer Lebensqualität.

Kompetenz und eigenes Wollen

Bereits bei Dunn tauchen mit dem Gedanken der „Harmonie von Körper, Geist und Seele“ die wesentlichen Elemente auf. Weitere „wesensbestimmende Elemente“ sind danach: „Selbstverantwortung, körperliche Fitness, gesunde Ernährung, Entspannung, geistige Aktivität sowie eine ausgeprägte Umweltsensibilität, hohem menschlichen Wohlbefinden, welches den Menschen bestehend aus Körper, Geist und Seele sowie abhängig von seiner Umwelt versteht“. Das schon zitierte National Institue of Wellness formuliert seine Definition von Wellness so: „Wellness ist der aktive Prozess der Bewusstwerdung und des Treffens von Entscheidungen für ein besseres Leben“.

Während die Medizin mit erhobenem Zeigefinger auf eine schier endlose Liste von die Gesundheit potenziell bedrohenden Faktoren (sog. Risikofaktoren) hinweist und Strategien (Gebote, vor allem aber Verbote) propagiert, wie man sich vor den Bedrohungen schützen kann, ist die Grundphilosophie von Wellness eine Stärkung der positiven, gesundheitsförderlichen Potenziale. Während der Vermeidung der Geschmack von „Entsagung“ anhängt, folgt Wellness einer Strategie des „Gewinnens“, des „sich rundherum besser Fühlens“, des Zugewinns an Lebensqualität.

Diese subjektiv bestimmte, eigenverantwortliche Aktivität ist grundsätzlich nicht von einem bestimmten gesundheitlichen Ist-Zustand abhängig. Es ist deshalb nur logisch, dass Wellness auch mit – von außen betrachtet – gesundheitsdefizitären Situationen assoziiert ist, etwa Wellness bei Krebskranken oder chronisch Lungenkranken, dass Wellness eng assoziiert wird mit präventiven Strategien, etwa im Bereich des Arbeitslebens oder im Bereich der öffentlichen Gesundheitssorge (sog. „Community health“). Immer aber hat Wellness etwas mit eigenverantwortlichem Handeln zu tun.

Salutogenese

Auf einer grundsätzlich ähnlichen Grundidee baut übrigens auch das bei uns etwas populärere Modell der Salutogenese auf, das vor allem mit dem Namen Antonovsky verbunden ist. Für Antonovsky ist weniger die von außerhalb objektivierbare Position in diesem Kontinuum entscheidend, sondern die subjektive Einstellung zur eigenen Gesundheit („Kohärenzgefühl“ mit den Komponenten Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit, Sinnhaftigkeit) und damit die „Gesundheitsreserven“, die gegebenenfalls mobilisiert werden können.

Prävention und Gesundheitsförderung

Eine recht enge Wesensverwandtschaft besteht zwischen Wellness und Prävention, vor allem einer aktiven, selbstbestimmten, „gelebten“ Prävention. Während Sekundär- und Tertiärprävention wesentlich medizinisch untersetzt sind, wird frühe Primärprävention immer mehr unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitsförderung (Positives verstärken) statt unter dem Gesichtspunkt der Risikoprävention (Negatives vermeiden) gesehen. Darin begründen sich nicht zuletzt die Schwierigkeiten, diesen Bereich im „offiziellen“ Gesundheitssystem stärker zu berücksichtigen (Details siehe unten).

Aktuelle Charakteristika des Wellnessmarkts in Deutschland

Was derzeit im deutschsprachigen Raum mit Wellness assoziiert wird, fokussiert auf einen zwar grundsätzlich dazugehörenden, aber in seiner Bedeutung im Rahmen des oben skizzierten, ganzheitlichen Wellnesskonzeptes eher marginalen Randaspekt: Wellness als Synonym für Luxus, Beauty und Verwöhnen (vgl. den englischen Begriff „pampering“) oder die Reduktion auf physische Aspekte (Fitness).

Wellness zum Konsumieren

Ausgleich für Stress und Anspannung stehen im Vordergrund: Das Schlagwort vom „Seele baumeln“ lassen wird gerne strapaziert (mehr als 25000 Einträge im Internet!), angeboten werden vorwiegend passive Maßnahmen wie Massagen, Bäder und Packungen, begleitet von Düften und sanften Klängen, Pastellfarben und schmeichelndem Licht. Neues, möglichst Exotisches mit dem Flair von Luxus und Ästhetik, die kurze Flucht aus dem Alltag.

Die Nachfrage nach derartigen Angeboten hat in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen, sie stellen inzwischen ein ernst zu nehmendes, eigenständiges Marktsegment im Tourismus dar. Das ist nicht verwunderlich, denn Urlaub ist typischerweise mit ähnlichen Zielen assoziiert: Abschalten und Ausspannen, Seele baumeln lassen, Exotik.

Wellness als Event

Kann man für den Urlaub noch eine gewisse Nachhaltigkeit des Erholungseffektes als Erwartung an denselben annehmen, so stehen bei vielen kurzzeitigen Angeboten eher Aspekte des Konsums im Vordergrund: Unterhaltung, Erlebnis, Zeitvertreib, „Event“. Zu dieser Kategorie zu zählen sind auch viele Angebote, mit denen Hotels als Zusatzservice locken und Spaßbäder ihre Attraktivität erhöhen.

Der Zukunftsforscher Horx formuliert in einem Trend- Dossier zum Thema Wellness die aktuellen Schwerpunkte so: Der „opportunistische Aspekt“ im Sinne von „Spaß haben“ und „sich selbst verwirklichen“, „sich verwöhnen“ und „sich etwas gönnen“. Also seine eher narzistisch-konsumorientierten Seiten. Gesundheit ist also eigentlich kein Thema, zumindest ist ein nachhaltiger, positiver Einfluss auf die Lebensqualität kein relevanter Inhalt.

Zelebrieren mit Versatzstücken

Ein Blick in die derzeit verfügbaren „Wellness-Glossare“ zeigt, dass sie fast ausnahmslos eines gemein haben: sie listen hauptsächlich (in der Regel 70 % bis 90 % der Begriffe) medizinische Therapien auf. Es werden aber typischerweise nur Äußerlichkeiten, Zeremonien entlehnt und als „Event“ zelebriert. Da wird ein Stirnguss mit angewärmten Öl als „Ayurveda“, das Schwenken eines Räucherstäbchens über einem vermeintlichen Akupunkturpunkt als TCM (traditionelle chinesische Medizin) oder eine Stunde Leibesübungen bei fremdländischer Musik als Qi Gong, ein Badezusatz mit fraglichem Algenextrakt als „Thalassotherapie“ verkauft.

Schlichtweg ignoriert wird dabei, dass etwa das Studium der ayurvedischen Heilkunst in Indien immerhin einen Zeitraum von mindestens 6 Jahren in Anspruch nimmt, der Stirnguss auf Bestellung Gefahr läuft, ein ganzes, profundes Medizinsystem auf schiere Äußerlichkeiten zu reduzieren. Ignoriert wird, dass Thalassotherapie viel mehr ist als das Versatzstück Algenextrakt, dass auch Naturheilkunde kompetent und zielgerichtet eingesetzt werden muss, wenn erwünschte Wirkungen erzielt und unerwünschte Wirkungen vermieden werden sollen. Gemein ist allen diesen und vielen anderen in den einschlägigen Glossaren gelisteten „Therapien“ , dass sie, teilweise über Jahrhunderte, sich entwickelt haben bzw. entwickelt wurden, um zielgerichtet eine Erkrankung (oft einen durchaus ausschließlich subjektiv als unbefriedigend empfundenen Gesundheitszustand) in einer gewünschten Richtung zu beeinflussen. Der Begriff „Therapie“ impliziert immer zwei Fragen: was soll therapiert werden, und was soll erreicht werden.

Perspektiven

Horx prophezeit, dass sich das als ökonomisches Strohfeuer herausstellen wird: „Viele Wellness-Angebote der ersten Generation haben überwiegend an den Symptomen angesetzt. Sie benutzten den Wellness-Begriff als „Marker“, ohne sich wesentlich um Hintergründe, Anwendungen und sozialen Kontakt zu kümmern. Oft wurde Stresserleichterung auf einfachen (Produkt-)wegen versprochen. Dies führt in den kommenden Jahren zu einer gewissen Ermüdung. Das Phänomen Wellness wird beliebig und zum Teil unglaubwürdig, weil es allzu sehr als reiner Marketingbegriff benutzt wird. Das Trittbrettfahrer- Syndrom wird dieses Glaubwürdigkeitsproblem verstärken“.

Das wird wohl vorhersehbares Schicksal der vielen banalen, teilweise schon fast skurrilen Angebote sein, die mit dem Begriff Wellness aufgewertet werden sollen und uns etwa im Supermarkt oder an der Tankstelle begegnen: Wellness-Brötchen, Wellness-Shampoos, Wellness-Limonaden und Edel-Spirituosen bis hin zum Wellness-Futter für den Goldhamster. Das wird (hoffentlich) auch Schicksal des Wildwuchses sein, der sich derzeit allenthalben breit macht: da wird eine „Behandlung“ mit einem obskuren technischen Gerät als „naturheilkundliche Ausleitung“ verkauft, werden viele der oben genannten und andere, abstruse „Therapien“ mehr oder weniger unverhohlen auch und gerade bei vielen weit verbreiteten Gesundheitsproblemen als Lösung angeboten.

Es wird im Folgenden zu klären sein, ob und wie Wellness in Zukunft nachgefragt werden wird. Die Zukunft gehört, um nochmals Horx zu zitieren, einen anderen Art von Wellness, er nennt sie „Wellness II“: Ein aus modernen Problemen und Spannungen geborener Aspekt: Wellness als ein höheres Bewusstsein für die eigene Person, für Wünsche, Träume und Defizite des Individuums. Eine andere Dimension jenseits der Produktwelt. Er fordert neue soziale und kognitive Kompetenzen.

Wellness und Sozialversicherung

Wellness und moderne Medizin waren nie zwei voneinander unabhängige Entitäten. Der größte Teil der Engagierten, die Wesentliches zur konzeptionellen Entwicklung eines modernen Wellnesskonzeptes beigetragen haben, waren Ärzte. Triebfeder war und ist nicht zuletzt das Erleben der Grenzen des Medizinsystems. Wenn man diese analysiert, wird klar, was Bestandteil eines darüber hinausgehenden, ganzheitlichen Wellness-Angebots sein muss.

Beschränkung auf das „Notwendige“

Ein häufig vorgebrachter Kritikpunkt an „der Medizin“ ist, dass sie nicht wirklich auf die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen eingehe. Das stimmt tatsächlich – ist aber „systemimmanent“, denn Grundlage unseres Gesundheitswesens ist das oft zitierte Solidarprinzip. Jedes Mitglied einer Gemeinschaft beteiligt sich mit einer vertretbaren Summe Geldes an einem Solidartopf, der dann für jedes Mitglied der Gemeinschaft im Krankheitsfall das Risiko, eventuell notwendige, sonst unerschwinglich teuere Behandlungskosten nicht bezahlen zu können, in Grenzen halten soll.

Da insgesamt nicht mehr ausgegeben werden kann als von allen eingenommen wurde, sind die Spielregeln, formuliert im Sozialgesetzbuch 5 (SGB V), für den individuellen Leistungsanspruch nicht „individual-optimiert“, sondern „sozial-optimiert“. Versicherte wie Versicherer werden verpflichtet: die Leistungen müssen wirksam sein und wirtschaftlich erbracht werden (§2(1)), sie müssen ausreichend und zweckmäßig sein (§12(1)) und sie dürfen nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden (§2(4)) bzw. das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§12(1)).

Aus diesen Regeln ergibt sich zwingend, dass nicht nur unsinnige oder gar schädliche Maßnahmen von einer Finanzierung durch die Krankenkassen ausgeschlossen sind, sondern auch für den einzelnen Patienten durchaus sinnvolle Maßnahmen. Sinnvoll können Leistungen auch dann sein, wenn sie das Kriterium der Notwendigkeit nicht erfüllen (man denke nur an die klassische Kopfschmerztablette bei Föhn).

„Objektivierbarkeit“ als Maßstab

Was kaum bedacht wird, Vertragspartner im Gesundheitswesen sind ausschließlich Leistungsanbieter (Ärzte, Krankenhäuser etc.) und „Kostenträger“ (z. B. Krankenkassen) – und eben nicht Leistungsanbieter und „Leistungsempfänger“, sprich der einzelne Betroffene. Das hat dazu geführt, dass Ärzte und Krankenkassen sich für das Bekämpfen von Krankheit beauftragt und „verantwortlich“ fühlen, dass sie möglichst allgemein gültige, juristisch darstellbare Grenzen definieren zwischen zwei „Zuständen“, nämlich gesund und krank, wobei letzterer die Voraussetzung für einen Leistungsanspruch aus dem Solidartopf darstellt.

Logische Konsequenz: medizinische Probleme werden „objektiviert“, z. B. durch Computertomogramm, Kernspintomographie oder durch teils sehr aufwändige Laboruntersuchungen. Was sich aber auf dem Röntgenbild erkennen lässt, sind Auffälligkeiten, die zwar typisch („spezifisch“) für eine bestimmte Krankheit sind, über individuelle Faktoren des Betroffenen jedoch keinerlei Aussagen zulassen. Folglich lassen die daraus abgeleiteten Therapieentscheidungen auch persönliche Aspekte des Patienten weitestgehend unberücksichtigt. Mit dieser Vorgehensweise lassen sich bestimmte medizinische Probleme perfekt in den Griff bekommen, z. B. eine akute bakterielle Infektion (Antibiotika), eine lebensbedrohliche Reizleitungsstörung im Herzen (Schrittmacher) und vieles mehr. Aber vieles eben nicht oder nicht adäquat. Das gilt in besonderem Maße für „Befindensstörungen“ und chronische Gesundheitsstörungen leichterer bis mittlerer Ausprägung.

Dimension des weiteren Bedarfs

So weist das Gutachten des Sachverständigenrates aus dem Jahre 2001 explizit auf die „begrenzte Bedeutung der rein kurativen Medizin für die Gesundheit“ und demgegenüber auf die „Potenziale und Verantwortlichkeiten von Prävention“ hin und unterstreicht, dass „die medizinische Versorgung im engeren Sinne lediglich 10 bis 40 % zu dem beiträgt“, was für den Patienten im Mittelpunkt steht, nämlich z. B. Lebensjahre oder Lebensqualität.

Dass diese Einschätzung realistisch ist, zeigt eine repräsentative Umfrage des Amerikaners David Eisenberg von der Harvard Medical School aus dem Jahr 1990, derzufolge jeder dritte Amerikaner mindestens einmal im Jahr Rat und Hilfe bei Anbietern von Komplementär- bzw. Alternativmedizin sucht. Die Amerikaner gaben schon Anfang der 90iger Jahre insgesamt mehr Geld für diesen Graubereich der Medizin aus als für das offizielle Gesundheitssystem: 380 Millionen Kontakten zu Hausärzten standen 420 Millionen Kontakte zu „alternativen“ Anbietern von Gesundheitsleistungen gegenüber. Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt. Während die Hausarztkontakte konstant bleiben, waren 1997 bereits 650 Millionen „alternative Kontakte“ zu verzeichnen. Tendenz weiter steigend. Was oft vergessen wird – der Gesundheitszustand und der daraus subjektiv abgeleitete Bedarf an Gesundheitsdienstleistungen wird durch den Betroffenen selbst wesentlich und vorrangig nicht anhand „objektiver“ Kriterien beurteilt wie etwa durch den Arzt (siehe oben), sondern typischerweise anhand daraus resultierender, subjektiv wahrgenommener Defizite. Deshalb stehen als übergeordnete Kriterien die Lebensqualität allgemein und krankheitsspezifisch die Krankheitsfolgen ganz im Fokus des Betroffenen.

Gesundheitsziele

Wellness, das zeigt ein Blick in die USA, wird in Zukunft ein zentrales Thema im Bereich öffentlicher, vor allem auch „settingorientierter“ Gesundheitsprogramme und betrieblicher Gesundheitsförderung. Es wird außerdem das Thema für den reiferen, nicht zuletzt auch für den alten Menschen sein, bei dem besonders häufig ganz konkrete körperliche Probleme eine „physische, emotionale, soziale, spirituelle und intellektuelle Balance“ stören.

Dies ist übrigens auch konform mit der Einschätzung der WHO, die im Jahr 1998 feststellte: „Das steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung hat immense Auswirkungen für alle Länder. Im 21. Jahrhundert wird eine der größten Herausforderungen sein, Wege zu finden, wie Krankheit und Behinderung vorgebeugt bzw. hinausgezögert werden können, und wie Gesundheit, Unabhängigkeit und Mobilität einer älter werdenden Gesellschaft erhalten werden können.“

Healthy aging wird sich mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einem Megatrend entwickeln, unvergleichlich bedeutender und nachhaltiger als „Anti-Aging“, das sich im wesentlichen auf der Ebene passiver und vordergründiger Konsumangebote bewegt (z. B. Supplementation von Vitaminen und Hormonen) und damit die Potenziale eines ganzheitlichen Wellnesskonzeptes, nämlich „ganzheitliches Wohlbefinden“ durch kompetentes Altern, nur in Randbereichen utilisiert.

Auch die Implementierung der WHO-Klassifikation der ICF (International Classification of Functioning, Disability, and Health, vgl. „Kriterien des Kurerfolgs“) wird dazu beitragen, die Rahmenbedingungen und das Klima für Wellnesskonzepte mit der Zielrichtung „healthy aging“ zu optimieren (vgl. den Slogan „to add life to years rather than years to life“).

Wellness im Kurort

Wellness, im besonderen „Medizinische Wellness“ kann deshalb als Ansatz verstanden werden, im engeren Sinne „medizinische Strategien“ zu ergänzen durch für den Betroffenen „sinnvolle“, ganzheitliche, Kompetenz und Lebensqualität steigernde Gesundheitsdienstleistungen.

Voraussetzung für einen nachhaltigen Erfolg ist dabei, dass diese privat nachgefragten und finanzierten Dienstleistungen ein wesentliches Kriterium möglichst zuverlässig erfüllen: sie müssen unter dem Strich für den Betroffenen hilfreich und vorteilhaft sein. Dienstleistungen, die zwar momentan, vordergründig bzw. kurzfristig diesen Anspruch zu erfüllen scheinen, ihn aber tatsächlich nicht erfüllen, fallen nicht in diese Kategorie.

Es geht vielmehr darum, die vom Kunden geäußerten Wünsche auf die bei ihm zugrundeliegenden Bedürfnisse zu kondensieren und individuell maßgeschneiderte Lösungen anzubieten bzw. Lösungsansätze zu erarbeiten.

Der Kurort als Wellness-Zentrum

Genau dies war traditionell die entscheidende Kernkompetenz des Kurortes und ist es bis heute: Medizinische Kompetenz in einem ganzheitlichen Kontext, dessen Wirkungen spürbar und erlebbar sind. Eine Ganzheitlichkeit, die die oben zitierten Komponenten von Wellness vereint. Es sei nur daran erinnert, dass etwa die Stimulation mit natürlichen Reizen, das wichtigste kurörtliche Therapieprinzip analog der Philosophie von Wellness die „Gesundheitsressourcen“ des Körpers die Selbstheilungskräfte trainieren soll. Oder, dass das Grundkonzept des Ausgleichs und der Harmonisierung, weit über die körperliche Ebene hinaus fundamentale Philosophie der kurörtlichen, klassischen Naturheilkunde ist. Man denke nur an das Zitat Kneipps „Gesund ist nur derjenige, der es gelernt hat, mit sich selbst, seiner Umwelt und dem Herrgott fertig zu werden“, oder W. Brüggemanns Beschreibung der naturheilkundlichen Ordnungstherapie: „Wenn man Ordnung in sein Leben bringen will, muss man zunächst einen Standpunkt beziehen, von dem aus man Wertmaßstäbe für sein Leben setzt und von dem aus man unterscheidet, was für sein Leben wichtig ist oder nicht.“ Aus anderen Beiträgen in diesem Werk erschließen sich zwanglos viele Details zur Wesensverwandtschaft zwischen klassischen kurörtlichen Schwerpunkten und dem oben dargestellten Konzept von Wellness.

Es ist deshalb nur konsequent, dass der Deutsche Heilbäderverband diese Potenziale, deren gemeinsame Erfüllung einen optimalen Rahmen zur Entwicklung einer nachhaltigen, persönlichen, höheren Wellness bietet, in einem Katalog von Kriterien zusammengefasst hat. Die Präambel zum Gütesiegel „Wellness im Kurort“ legt die Philosophie dar, die der Initiative zugrunde liegt.

Präambel

WELLNESS IM KURORT ist ein Gütesiegel des Deutschen Heilbäderverbandes e.V. (DHV), das Wellness-Angeboten in Kurorten verliehen wird, die alle geforderten Qualitätskriterien erfüllen.

Nach dem Verständnis des DHV ist Wellness nicht quantifizierbar. Wellness steht für ein ganzheitliches Gesundheitsangebot – analog der Philosophie der traditionellen ambulanten Kur. So bilden die Begriffsbestimmungen des Deutschen Heilbäderverbandes die Grundlagen für gesicherte Qualität und stehen hinter den Angeboten für WELLNESS IM KURORT

Dabei stehen gleichwertig nebeneinander:

  • Medizin und Therapie
  • Natur und Kultur
  • Bewegung und Entspannung
  • Kommunikation und Erleben

Sie bilden die Basis des ganzheitlichen Prinzips und knüpfen somit an die Geschichte unserer Bäderkultur an, die schon immer das individuelle Wohlbefinden des Gastes in den Mittelpunkt aller Bemühungen im Kurort gestellt hat.

10 Kernaussagen stehen in ihrer Gesamtheit für gesicherte Qualität.

Sie beschreiben Leistungsmerkmale, die ausschließlich und umfassend nur der Kurort bietet. Diese gewährleisten, dass innerhalb des Kurortes eine aktive Vernetzung aller Leistungsanbieter und die ständige qualitative Überprüfung der Angebote erfolgt, wobei die Einrichtungen modernen Ansprüchen genügen müssen.

WELLNESS IM KURORT leistet einen wichtigen Beitrag für die Gesundheit der Bevölkerung und für die Volkswirtschaft, sie fokussiert auf Prävention und Gesundheitsförderung

Das Gütesiegel „Wellness im Kurort“

Das Gütesiegel „Wellness im Kurort“ selbst signalisiert dem Gast dabei, dass bei einem konkreten Angebot alle Voraussetzungen erfüllt sind, die in den 10 Kernaussagen zu Wellness im Kurort formuliert sind.

10 Kernaussagen stehen in ihrer Gesamtheit für gesicherte Qualität.

  1. Wellness im Kurort basiert auf ganzheitlicher
    medizinischer Kompetenz
  2. Wellness im Kurort basiert auf staatlich anerkannten
    Qualitätsmerkmalen für natürliche Heilmittel
    des Bodens, des Meeres, des Klimas sowie
    der Physiotherapie nach Sebastian Kneipp
  3. Wellness im Kurort baut auf bewährte Konzepte
    der Bäderkultur auf
  4. Wellness im Kurort garantiert hohe Dienstleistungs-
    und Servicequalität
  5. Wellness im Kurort ist eingebunden in die komplexe
    Infrastruktur der Kurorte als Gesundheitszentren
    und Zentren des Tourismus
  6. Wellness im Kurort bedient sich des breiten
    Ressourcenspektrums der Kurorte, welches ein
    Höchstmaß an persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten
    bietet
  7. Wellness im Kurort ist eingebunden in ein vielfältiges
    kulturelles Angebot in einem anspruchsvollen
    Kurortambiente
  8. Wellness im Kurort ist erlebbar in reizvoller
    Landschaft und Umgebung
  9. Wellness im Kurort nutzt das breitgefächerte
    Angebot des Kurortes für soziale Kontakte und
    Kommunikation
  10. Wellness im Kurort steht für positives Leben undErleben, Sinnlichkeit und Genuss, Freude und Lifestyle Im deutschen Kurort steht

Im deutschen Kurort steht der Mensch im Mittelpunkt aller Aktivitäten – so auch bei Wellness im Kurort.

Aufbauend auf bewährten Konzepten der Bäderkultur, insbesondere ganzheitlicher medizinischer Kompetenz und staatlich geprüften natürlichen Heilmitteln sowie anerkannten natürlichen Heilmethoden bieten die komplexe kurörtliche Infrastruktur und ein breites Ressourcenspektrum ein Höchstmaß an persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Ein breitgefächertes kulturelles Angebot bietet eine ideale Plattform für soziale Kontakte und Kommunikation in einem speziellen, stimulierenden Ambiente, das ergänzt wird durch reizvolle Landschaft und Umgebung sowie eine hohe Dienstleistungs- und Servicequalität. Positives Leben und Erleben, Sinnlichkeit und Genuss, Freude und Lifestyle als ein abgestimmtes „Orchester“ für den Zugang zu einer eigenen, höheren Ebene von Wellness.

Die Einhaltung der damit verbundenen konkreten Vorgaben wird für jedes Angebot durch eine unabhängige Fachkommission regelmäßig geprüft, eine differenzierte Liste von konkreten Bedingungen für jede der 10 Kernaussagen wird ebenfalls regelmäßig an die Bedürfnisse der Wellness-Gäste angepasst.

Fazit

Alle Indikatoren lassen erwarten, dass die Nachfrage nach Wellness-Angeboten mit nachhaltiger positiver Wirkung auf die eigene Lebensqualität in den nächsten Jahren massiv steigen wird. Ein seriöses, nachvollziehbares, vom Verband überwachtes Gütesiegel mit hohem Bekanntheitsgrad wie Wellness im Kurort, das in ganz Deutschland anzutreffen sein wird, versetzt hier den privaten Kunden in die Lage, seine eigenen Ressourcen für sich selbst ökonomisch einzusetzen. Zufriedenheit mit Preis und Leistung werden den Kunden wiederkommen lassen, denn Wellness ist keine einmalige Anschaffung, sondern ein aktiver Prozess in Richtung einer erfolgreicheren Lebensbewältigung.

Die deutschen Kurorte und ihre natürlichen Heilmittel

Mineralheilbäder und Mineral- und Moorheilbäder

Moorheilbäder, Indikationen

Heilklimatische Kurorte

Seeheilbäder und Seebäder

Kneippheilbäder und Kneippkurorte

Prinzipien der Kurortbehandlung

Grundlagen der zeitgemäßen Behandlung in den Heilbädern und Kurorten

Kriterien des Kurerfolgs

Einführung in Chemie und Charakteristik der Heilwässer und Peloide

Therapie mit Ortsspezifika

Physikalische Therapie am Kurort

Sport im Kurort

Diätetik

Trinkkuren

Thalassotherapie

Das Kneippsche Naturheilverfahren

Die Moortherapie

Die Kompaktkur

Wellness im Kurort

Kur und Kurseelsorge

Angebote

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