Der thermische-hygrische Wirkungskomplex besteht aus Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und Wärmestrahlung. Diese Wetterelemente wirken auf die Thermoregulation, das Herz-Kreislauf-System und wahrscheinlich auch auf das Immunsystem. Letzteres wird in sog. Abhärtungskuren genutzt.
Der thermische Wirkungskomplex kann den Organismus durch Schwüle, also hohe Lufttemperaturen mit geringen Windgeschwindigkeiten und hoher Luftfeuchtigkeit belasten. Die Thermoregulation unter Wärmebelastungen erfordert eine enorme Steigerung der Hautdurchblutung, was unter Extrembedingungen das Herzzeitvolumen auf mehr als das Doppelte des Ruhewertes ansteigen lässt. Hinzu kommt der Bedarf für die energieaufwändige Schweißproduktion. Besonders für Menschen mit eingeschränkter Funktionsreserve des kardiopulmonalen Systems bedeuten Hitze und Schwüle einen starken Stress. Die Möglichkeiten für körperliche Aktivitäten sind erheblich eingeschränkt, dies gilt bereits für Menschen mit guter Kondition, umso mehr für Patienten mit eingeschränkter Funktionsreserve.
Umgekehrt sind die Beanspruchungen des Herz-Kreislaufsystems in kühler Umgebung gering, die Funktionsreserven können durch körperliche Belastungen ausgeschöpft werden, die subjektive Bereitschaft hierzu ist größer als in der Wärme.
Unter diesem Aspekt ist das Meeresklima an den deutschen Küsten als Schonfaktor zu werten. In dem feuchtgemäßigt-maritimen Klima überwiegen Kühlreize, die bei ausgeglichenen Temperaturen wesentlich durch den fast stets wehenden Wind bedingt sind. Der typische schnelle Wechsel der Wettersituationen verlangt entsprechende thermoregulatorische Reaktionen des Organismus, was als Reizfaktor wirkt.
Durch gezielte und dosierte Expositionen gegenüber Kühlreizen lässt sich während Klimakuren eine Adaptation erreichen, welche zu einer verminderten Infektanfälligkeit führt und unter dem Schlagwort Abhärtung bekannt ist.
Die Anwendung des thermischen Wirkungskomplexes in diesem Sinne hat in Form der Abhärtungskuren bei Kindern eine lange Tradition. Als pathophysiologisch wirksame Mechanismen werden sowohl immunologische Faktoren diskutiert als auch adaptative Umstellungen der Schleimhautdurchblutung. So konnten Untersuchungen aus dem Institut für Medizinische Klimatologie, der Klinik für Allgemeine Pädiatrie der Universität Kiel und der Fachklinik Sylt für Kinder und Jugendliche der LVA Hamburg zeigen, dass die Konzentration des Immunglobulin A im Speichel von Kindern, die an einer sechswöchigen Klimakur teilgenommen hatten, am Ende des Aufenthalts an der See signifikant erhöht waren.
Bei der Anwendung von Kühlreizen und auch ganz allgemein von thermischen Reizen muss stets darauf geachtet werden, dass lediglich die Körperschale abkühlt und keinesfalls allgemeine, d. h. über die Körperschale hinausgehende auch den Körperkern betreffende Unterkühlung eintritt. Aus diesem Grund sollte vor der Anwendung von Kaltreizen stets darauf geachtet werden, dass der Körper hinreichend warm ist.
Indikationen für eine Abhärtung durch Kaltreize sind insbesondere eine erhöhte Infektanfälligkeit, eine bronchiale Hyperreagibilität. Auch bei vegetativer Dystonie und in der Rekonvaleszenz ist eine behutsam durchgeführte Klimatherapie wirksam.
Ein kühles Klima ist ideal geeignet, um Ausgleichssport zu treiben zur Kompensation des Bewegungsmangels, der für die meisten Menschen der modernen Gesellschaft typisch ist. Hier ergeben sich Möglichkeiten, den modischen Trend zu Fitness und Wellness gesundheitlich zu nutzen.