Moorheilbäder gibt es international nur in unseren klimatischen Breiten, insbesondere auch in den osteuropäischen Ländern. Die namensgebende kurörtliche Besonderheit von Moorheilbädern und Moorkurbetrieben, nämlich das applizierte Moor, ist dabei das aufwändigste der natürlichen kurörtlichen Heilmittel. Es soll als ortstypische Besonderheit aus der Nähe des Moorheilbades stammen, kann aber auch – z. B. bei Auseinandersetzungen mit der örtlichen Naturschutzbehörde wegen der Abbaugenehmigungen – hilfsweise über Hunderte von Kilometern antransportiert werden. Im Moor spielen eben – anders als bei Heilwässern – etwaige chemische Oxidationsvorgänge während des Transport keine entscheidende Rolle: die Besonderheit von Mooranwendungen liegt vielmehr auf deren physikalischer Fähigkeit, die für Wasserbäder typische freie Konvektion der Wassermoleküle zu unterbinden und damit
- einen nur noch konduktiven Wärmetransport zu ermöglichen; dadurch sind im Moor-Vollbad gleichzeitige unterschiedliche Kontakttemperaturen an verschiedenen Körperstellen möglich (Kombination von Ganzkörpererwärmung und lokaler Wärmetherapie). Hierdurch sind Behandlungen mit Moor prädestiniert für Erkrankungen des Bewegungsapparates;
- einen im Vergleich zu Wasseranwendungen deutlich höheren dynamischen Widerstand gegenüber Bewegungen des Patienten darzustellen (Moorkneten, Moortreten) zu bewirken. Dies wird bei der Therapie von neurologischen Erkrankungen und bei peripheren Venenerkrankungen ausgenutzt.
Dies gilt zwar prinzipiell auch für andere Peloide, unter denen aber der – praktisch zu 100 % der Trockenmasse aus organischen Substanzen bestehende – Torf zwei Sonderrollen spielt:
- Trotz des schon in der Lagerstätte (Moor) hohen Wassergehalts von 85 % und mehr bleibt im Torf (das aus dem Moor bis zur Renaturierung zu Therapiezwecken „entliehene schwarze Gold“) eine hochvisköse dickbreiige Konsistenz erhalten, die eine im Zeitverlauf gleichmäßige und schonende (die sogenannte Temperaturverträglichkeit von Peloiden) Wärmezufuhr in die behandelten Körperregion hinein wie auch – bei Kaltanwendungen – einen Wärmeentzug gewährleistet.
- Wegen des hohen Wassergehalts ist das spezifische Gewicht auch in einem dickbreiigen Moorvollbad kaum höher als in einem dünnflüssigen Wasserbad. Man sinkt deshalb im Moorvollbad ein, wenn auch verlangsamt wegen der hohen viskösen Reibungskräfte. Immerhin lassen sich dadurch Moorvollbäder realisieren, in denen die vorerwähnte Kombination aus lokaler Überwärmung (ähnlich wie bei Packungen) und aus systemischer Ganzkörperüberwärmung (die Hauptwirkung von Wasserbädern) zur Geltung kommt.
Alle anderen Peloide sind – in vergleichbarer Konsistenz – demgegenüber entweder zu auftriebsstark und erfordern sogar Bleigürtel oder Haltegurte, um überhaupt in das Bademedium eintauchen zu können. Oder sie werden so stark verdünnt, dass kaum noch Grenzen zum konvektiven Wärmetransport in Wasserbädern mit Badezusätzen erkennbar sind.
Aus dem Prinzip der Wärmezufuhr leiten sich die typischen Indikationen der Moortherapie ab:
- Chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankungen: chronische Polyarthritis, seronegative chronische Arthritiden, auch mit Wirbelsäulenbeteiligung (z. B. Spondylitis psoriatica)
- degenerativ-rheumatische Erkrankungen der Gelenke und der Wirbelsäule: Arthrosen, Osteochondrosen, Spondylosis hyperostotica
- chronische Formen des Weichteilrheumatismus: extraartikulärer Rheumatismus, z. B. Fibromylagie
- Muskelverspannungen, Myosen
- Magen- und Darmerkrankungen: Motilitätsstörungen des Dünndarms (Kolikneigung), chronische Obstipation, chronische Gastritis
- Frauenleiden: Chronische Entzündungen der Genitalorgane, Zyklusanomalien, Folikelreifungsstörungen, Endokrine Dyregulationen mit Entwicklungsretardierung, Sterilität, Östradioldefizite in der Prae-, Periund Post-Menopause, Amenorrhoe, Anorexie, Adhäsionen, Entzündungen, Infiltrate oder Hämatome nach Operationen
Hinsichtlich der Kühlung des Gewebes durch Kalt-Moor- Packungen gehören
- akute rheumatische Schübe
- akute Arthritiden
- stumpfe Sportverletzungen (z. B. Schwellungen)
zu den Indikationen.
Bewegungsübungen gegen den Widerstand das hochviskose Moor sind wirksam bei
- Arthritiden
- Gichtperipheren Durchblutungsstörungen
- Erkrankungen des Nervensystems
Hinsichtlich der chemischen Inhaltsstoffe des Moors werden vor allem Hautwirkungen diskutiert, was Ansätze erklärt, Moorbehandlungen auch bei gewissen
dermatologischen und atopischen Erkrankungen:
zu verschreiben.
Kontraindikationen für Mooranwendungen sind
- offene Wunden (Infektionsgefahr)
- Kreislaufinsuffizienz (Moorvollbäder)
- akut entzündliche Herzerkrankungen (Warmanwendungen):
- Endo-, Myo-, Peri-Karditis
- akute Venenthrombose
- akuter Schlaganfall
- zebrovaskuläre Blutungen
- Gravidität.