Abgrenzung des Begriffes Heilwasser
Die Grenzen zwischen einem Trinkwasser im Sinne der Trinkwasserverordnung, einem natürlichen Mineralwasser im Sinne der Mineral-, Quell- und Tafelwasser- Verordnung und einem Heilwasser im Sinne der Begriffsbestimmungen – Qualitätsstandards für die Prädikatisierung von Kurorten, Erholungsorten und Heilbrunnen sind das Ergebnis vielfältiger Diskussionen über einen langen Zeitraum. Im Jahre 1911 erfolgte auf Grund statistischer Erhebungen in den „Nauheimer Beschlüssen“ eine Festlegung der Grenzen des Begriffs Mineralwasser. Grundlage hierfür waren die Arbeiten von L. Grünhut (Chem. Laboratorium Fresenius), der mit großer Sorgfalt die Zusammensetzung zahlreicher bekannter Heilquellen mit der unserer Trinkwässer verglichen hatte. Dabei hatte er erkannt, dass Mineral- bzw. Heilwässer häufig mehr als 1 g gelöste feste Bestandteile pro kg Wasser enthalten, während Trinkwasser normalerweise deutlich darunter liegt.
Darüber hinaus wurde auch damals schon eine Reihe von Spurenelementen wie z. B. Eisen und Iodid ermittelt, die, unabhängig von der Gesamtkonzentration der Mineralstoffe, als wertbestimmend in die „Nauheimer Beschlüsse“ mit aufgenommen worden sind. Im Verlauf der letzten 50 Jahre ist unter stärkerer Betonung pharmakologischer Erfahrungen eine Revision dieser ursprünglich deutschen Liste von charakteristischen Elementen erfolgt.
In Europa ist es bisher nicht gelungen, zu einer einheitlichen Auffassung über die Abgrenzung des Begriffes Heilwasser vom Mineralwasser zu kommen. Hier stehen sich die traditionellen „romanischen“ und „germanischen“ Auffassungen gegenüber. Während z. B. in Deutschland und Österreich der Gesetzgeber klar zwischen Heilwasser als Arzneimittel und natürlichem Mineralwasser als Lebensmittel unterscheidet, ist in den „romanischen Ländern“, wie Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, nur das natürliche Mineralwasser gem. der EG-Richtlinie national gesetzlich einheitlich geregelt. Es wird unterschieden in ein Mineralwasser als Lebensmittel für den täglichen Gebrauch und in ein solches mit therapeutischen Eigenschaften, das für den „Thermalismus“ – wie die Kurortmedizin in diesen Ländern genannt wird – eingesetzt wird.
In Brüssel wurde 1980 für den EG-Bereich eine Richtlinie für Mineralwasser beschlossen, die 1984 in deutsches Recht übertragen wurde. Die Übernahme der entsprechenden Regelung für das Trinkwasser ist 1986 erfolgt.
Für die Bundesrepublik Deutschland gelten für Heilwässer zusätzlich die bereits erwähnten „Begriffsbestimmungen – Qualitätsstandards für Kurorte, Erholungsorte und Heilbrunnen“, in denen u. a. die Grundlagen für die Artbezeichnungen und Anforderungen an die natürlichen Heilmittel des Bodens festgelegt sind. 1982 ist ein Kommentar hierzu erschienen, der die Begriffsbestimmungen im Einzelnen erläutert. Er wird derzeit überarbeitet.
Einige Abschnitte aus den Begriffsbestimmungen – Qualitätsstandards von 1998, die die natürlichen ortsgebundenen Heilmittel und die Peloide betreffen, werden hier anschließend aufgeführt. Die Begriffsbestimmungen wurden im Vergleich zu früheren Auflagen grundlegend überarbeitet.
Dabei wurde im Teil A nach dem medizintheoretischen Ansatz der medizinischen Kur die Definition der Kur mit der hierfür erforderlichen Struktur- und Prozessqualität der Kurorte dargestellt. Im Teil B sind dann die eigentlichen Voraussetzungen für die Verleihung von Artbezeichnungen der Kurorte, Erholungsorte und Heilbrunnen aufgeführt. Dabei wurden vor allem die neuen rechtlich verbindlichen Festlegungen von Bund und Ländern berücksichtigt. Unabhängig hiervon sind auch die wissenschaftlichen Fortschritte eingearbeitet worden. Die Angaben über die Charakterisierung und Nomenklatur der Wässer sollen erst im Zusammenhang mit den Analysen besprochen werden. Aufbau und Umfang der Analysen haben sich insbesondere durch stärkere Berücksichtigung der essenziellen und toxischen Spurenelemente sowie durch Aufnahme der Bestimmung organischer Inhaltsstoffe beziehungsweise dem Nachweis ihrer Abwesenheit infolge der Anforderungen des Arzneimittelgesetzes erheblich geändert.
Auszug aus den Begriffsbestimmungen, die Ziffern in Klammern beziehen sich auf die Begriffsbestimmungen – Qualitätsstandards von 1998.
Natürliche Heilmittel des Bodens (2.1)
Natürliche ortsgebundene Heilwässer (2.1.1)
Natürliche Heilwässer werden aus einer oder mehreren Entnahmestellen (Heilquellen), die natürlich zu Tage treten oder künstlich erschlossen sind, gewonnen. Auf Grund ihrer chemischen Zusammensetzung, ihrer physikalischen Eigenschaften und/oder nach der balneologischen Erfahrung oder nach medizinischen Erkenntnissen haben sie nachweisbare therapeutische Wirkungen, die zur Prävention, kurativen Therapie und Rehabilitation genutzt werden.
Heilwässer werden von Heilbädern und Heilquellen-Kurbetrieben zu therapeutischen Zwecken ortsgebunden angewandt.
Natürliche Heilwässer erfüllen diese Ortsbindung nur durch ihre unmittelbare Gewinnung und Anwendung am Quellort. Als Quellort gilt auch der Ort, an dem das Heilwasser aus einer mit der Quellöffnung fest verbundenen Rohrleitung austritt. Der Transport des Heilwassers zu Zwecken kurortmedizinischer Nutzung in Tankwagen ist unzulässig.
Zusammensetzung und Beschaffenheit (2.1.1.1)
Die chemische Zusammensetzung und die physikalischen Eigenschaften sowie die einwandfreie hygienische und mikrobiologische Beschaffenheit sind neben der therapeutischen Eignung durch Heilwasseranalysen nachzuweisen und durch Kontrollanalysen regelmäßig zu überprüfen.
Sie dürfen nicht Inhaltsstoffe oder Eigenschaften besitzen, die gegen die Verwendung als Heilwasser sprechen.
Medizinisch-balneologische Begutachtung (2.1.1.2)
Die therapeutische Eignung von Heilwasser ist durch wissenschaftliche Gutachten eines medizinisch-balneologischen Instituts oder eines anerkannten medizinisch-balneologischen Sachverständigen nachzuweisen.
Hygienische Beschaffenheit (2.1.1.3)
Es ist nachzuweisen, dass Heilwässer am Quellaustritt und am Ort der Anwendung bzw. bei der Abfüllung und bei dem Inverkehrbringen als Versand-Heilwässer in den für den Verbraucher bestimmten Behältnissen hygienisch und mikrobiologisch einwandfrei sind.
Charakterisierung (2.1.1.4)
Natürliche Heilwässer können auf Grund ihrer chemischen Zusammensetzung oder ihrer physikalischen Eigenschaften nach folgenden naturwissenschaftlichen Grundsätzen charakterisiert werden, wobei die arzneilich wirksamen Bestandteile regelmäßig die zur Charakterisierung herangezogenen Ionen und wertbestimmenden Einzelbestandteile umfassen:
- Wässer, die einen Mindestgehalt von 1g/l gelöste Mineralstoffe aufweisen. Für bestimmte Indikationen sind höhere Konzentrationen erforderlich. Zur chemischen Charakterisierung werden alle Ionen herangezogen, die mit einem Äquivalentanteil von wenigstens 20 % an der Gesamtkonzentration beteiligt sind. Dies sind in der Regel Natrium, Calcium, Magnesium, Chlorid, Sulfat und Hydrogencarbonat. Die Ionen sind mit den in der Chemie üblichen Namen zu kennzeichnen. Dabei werden erst die Kationen und dann die Anionen aufgezählt. Sind bei einem Wasser mehrere Kationen oder Antionen anzuführen, so werden diese in absteigender Größenordnung ihrer Äquivalentanteile (in mmol-%) aufgezählt. Die Äquivalentanteile beziehen sich auf die Summe der Kationen = 100 % und die Summe der Anionen = 100 %
- Wässer, die besondere wertbestimmende Einzelbestandteile enthalten und folgende Mindestwerte erreichen:
1. Eisenhaltige Wässer 20 mg/l zweiwertiges Eisen (Fe)
2. Iodhaltige Wässer 1 mg/l Iodid (I )
3. Schwefelhaltige Wässer 1 mg/l Sulfidschwefel (S)
4. Radonhaltige Wässer 666 Bq/l Radon (Rn) (=18 nCurie/l)
5. Säuerlinge 1.000 mg/l freies gelöstes Kohlenstoffdioxid (CO2) für Trinkzwecke, 500 mg/l CO2 für Badezwecke
6. Fluoridhaltige Wässer 1 mg/l Fluorid (F).
- Wässer, deren Temperaturen von Natur aus am Austrittsort mehr als 20 °C betragen, können als Thermen oder Thermalquellen charakterisiert werden.
Kohlensäurehaltige Thermalwässer mit höherer Temperatur können als „Thermalsäuerlinge“ bezeichnet werden, wenn am Austrittsort mindestens 1000 mg/l freies gelöstes Kohlenstoffdioxid enthalten sind.
- Wässer, die in 1 Liter mindestens 5,5 g Natrium- und 8,5 g Chloridionen (entsprechend 240 mmol/l Natrium- bzw. Chloridionen) enthalten, können die konventionelle Bezeichnung „Sole“ führen.
- Alle Mindestwerte der Wässer müssen am Ort der Anwendung erreicht werden.
- Die Ziffern 1 bis 5 gelten für die kurmedizinische Anwendung vor Ort. Darüber hinaus gelten die allgemeinen erfahrungsmedizinischen Erkenntnisse. Für Versandheilwässer als Fertigarzneimittel sind die Zulassungsbestimmungen im Hinblick auf die chemische Zusammensetzung zu beachten.
- Wässer, die keine der angeführten Voraussetzungen erfüllen, müssen ihre Eignung, Heilzwecken zu dienen, durch klinische Gutachten nachweisen.
(Anmerkung der Autoren: Diese Anforderungen gelten für natürliche Heilwässer, die als ortsgebundene Kurmittel angewendet werden. Die abgefüllten Heilwässer fallen unter das Arzneimittelgesetz und bedürfen dementsprechend einer besonderen Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.)
Natürliche ortsgebundene Heilgase (2.1.2)
Natürliche Heilgase gehören zu den natürlichen Heilmitteln aus überwiegend tieferen Erdschichten. Sie stammen aus Gasvorkommen, die natürlich zu Tage treten oder künstlich erschlossen werden.
Von den natürlichen Heilgasen werden zur Zeit Kohlenstoffdioxid, Radon und Schwefelwasserstoff zu Therapiezwecken eingesetzt.